!Stellungnahme Deutscher Verein ALG II -Sanktionen!

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AKTUELLES 10.06.2015 Update - Link:


Der Deutsche Verein zur verfassungsmäßigen Bedenklichkeit der Sanktionen im HartzIV


Der DV hat hier leider IMMER NOCH keine Bedenken, den Regelsatz bis auf Null kürzen zu lassen - ist aber "immerhin" dafür Ungleichbehandlungen anhand des Lebensalters aufzuheben und die Kosten für Unterkunft und Heizung unantastbar zu machen. Strom zahlt man bekanntlich auch vom Regelsatz.
Heißt: Null Euro, kein Strom. Aber "immerhin" ein Dach über dem Kopf und nicht erfrieren. Dies bei zuvielen angeblichen, oder "tatsächlichen" Verstößen gegen die weisen Befehle des jobcenters.
So verlagert man ein wenig die Armut ins Private, weg von den Augen der Öffentlichkeit ...


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11. Juni 2013
Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Reform der 
Sanktionen im SGB II1

Die neuere Stellungnahme des Deutschen Vereines zum Thema halte ich für sehr wichtig.

Mit Genehmigung der Verfasser_innen gebe ich hier den  vollständigen Text - er ist aber auch unter
http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/sgb-ii/Empfehlungen_zur_Reform_der_Sanktionen_im_SGB_II
abrufbar (besser lesbar).

Ich halte dies für besonders wichtig und verbreitenswert.
Die Herausgabe dieser Empfehlungen sollte als Argument insbesondere in öffentliche Diskussionen einfließen.

Warum?
Wichtig ist bei der Antwort zu wissen WER der deutsche Verein ist.
Das kann man hier ganz gut ersehen:
https://www.deutscher-verein.de/01-wir_ueber_uns/ziele-und-aufgaben/

(Dieselben Infos auch am Ende dieser Seite nochmals.)

Manchem wird das zu "lasch" sein und längst nicht weit reichend genug. Und das ist auch so.
Dafür, dass es der Deutsche Verein fordert - ist es aber sehr bemerkenswert und sollte rezipiert, diskutiert und verbreitet werden. Das ist meine Ansicht.

Der DV besteht eben NICHT nur aus "Sozialarbeiter - Fuzzis" u.ä. - auch die Öffentliche Hand, die Gemeinden und selbst der BUND (!) ist vertreten.
Zugespitzt gesagt: man kritisiert sich mittlerweile selbst!
Und das ist bemerkenswert.

 Ich greife einmal den Kern heraus. Alles andere sind - zum Teil sehr interessante- Erläuterungen dazu. Es handelt sich um 10 Punkte.
Sobald Zeit und Kraft es erlauben, möchte ich die hier auch später noch kommentieren.

Hier sind sie:

"Im Einzelnen wird angeregt,

+  nur für die Eingliederung individuell geeignete Pflichten in der Eingliederungsvereinbarung zu vereinbaren, 


+ die Arbeitsgelegenheit aus dem Katalog der sanktionsbewehrten Pflichtverletzungen aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zu streichen, 


+ die altersabhängige Ungleichbehandlung bei den Rechtsfolgen auf Pflichtverletzungen aufzugeben, 


+ Leistungen für Unterkunft und Heizung auch bei wiederholten Pflichtverletzungen zu gewähren, 


+ die Möglichkeit einzuräumen, die Dauer der Minderung auf sechs Wochen zu verkürzen, 


+ ergänzende Sachleistungen ohne Antrag anzubieten, 


+ über die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen zwingend schriftlich zu belehren, 


+ das Meldeversäumnis aus § 32 SGB II um die Meldegründe aus § 309 Abs. 2 SGB III zu ergänzen, 


+ Aufrechnungen bei der Kumulation von Aufrechnung und Sanktion auszusetzen und 


+ den Eingliederungsprozess stärker zu individualisieren. 


Die Empfehlungen richten sich an die politischen Entscheidungsträger und die Fachöffentlichkeit."


***

Ausführliche, komplette Fassung: 

Deutscher Verein
für öffentliche
und private Fürsorge e.V.
Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 1 von 17
www.deutscher-verein.de
DV 26/12 AF III
11. Juni 2013
Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Reform der
Sanktionen im SGB II1
Inhalt
Teil I: Fördern und Fordern – materiell-rechtliche Fragen ............ 4
In der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten ............. 4
Sanktionsbewehrte Arbeitsgelegenheiten und Maßnahmen ....... 5
Altersabhängige Ungleichbehandlung.......................................... 6
Wiederholte Pflichtverletzungen................................................... 8
Ergänzende Sachleistungen als Ermessensleistung.................... 11
Dauer der Minderung bei unter 25 jährigen Leistungsberechtigten 12
Kenntnis der Rechtsfolgen ........................................................... 13
Meldeversäumnisse ..................................................................... 13
Zusammentreffen von Aufrechnung und Sanktion ....................... 14
Teil II: Die Praxis der Sanktionen – Anforderungen an die Verwaltungsorganisation 15
Gewährleistung einer ganzheitlichen Betreuung.......................... 15
Unterstützung der Leistungsberechtigten bei Pflichtverletzungen 17
1
Verantwortliche Referentin im Deutschen Verein: Constanze Rogge. Die Empfehlungen wurden vom
Arbeitskreis Grundsicherung und Sozialhilfe und vom Fachausschuss Sozialpolitik, soziale
Sicherung, Sozialhilfe beraten und am 11. Juni 2013 vom Präsidium des Deutschen Vereins
verabschiedet.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 2 von 17
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Zusammenfassung
Die vorliegenden Empfehlungen beleuchten die Sanktionen des SGB II im Kontext von
Fördern und Fordern, zeigen gesetzlichen Änderungsbedarf auf und widmen sich Fragen
der Verwaltungspraxis. Im Einzelnen wird angeregt,
nur für die Eingliederung individuell geeignete Pflichten in der
Eingliederungsvereinbarung zu vereinbaren,
die Arbeitsgelegenheit aus dem Katalog der sanktionsbewehrten
Pflichtverletzungen aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zu streichen,
die altersabhängige Ungleichbehandlung bei den Rechtsfolgen auf
Pflichtverletzungen aufzugeben,
Leistungen für Unterkunft und Heizung auch bei wiederholten Pflichtverletzungen zu
gewähren,
die Möglichkeit einzuräumen, die Dauer der Minderung auf sechs Wochen zu
verkürzen,
ergänzende Sachleistungen ohne Antrag anzubieten,
über die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen zwingend schriftlich zu belehren,
das Meldeversäumnis aus § 32 SGB II um die Meldegründe aus § 309 Abs. 2 SGB
III zu ergänzen,
Aufrechnungen bei der Kumulation von Aufrechnung und Sanktion auszusetzen und
den Eingliederungsprozess stärker zu individualisieren.
Die Empfehlungen richten sich an die politischen Entscheidungsträger und die
Fachöffentlichkeit.
Vorbemerkung
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende baut auf dem Prinzip des Förderns und Forderns
auf. Fördern und Fordern bezwecken die Überwindung bzw. die Verringerung der
Hilfebedürftigkeit durch die umfassende Unterstützung der Leistungsberechtigten durch
die Leistungsträger (§ 14 SGB II) und durch aktive Mitwirkung der Leistungsberechtigten
an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit (§ 2 SGB II). Pflichten der
Leistungsberechtigten sind in der Grundsicherung für Arbeitsuchende dezidiert gesetzlich Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 3 von 17
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festgelegt, fördernde Pflichten der Leistungsträger sind in einem deutlich geringeren
Umfang geregelt. Die Sanktionen des SGB II sind verknüpft mit den Mitwirkungs- und
Erwerbsobliegenheiten der Leistungsberechtigten auf Seiten des Forderns. Werden
Pflichten aus § 31 Abs. 1 SGB II ohne den Nachweis eines wichtigen Grundes verletzt,
soll die Absenkung der Leistungen nach § 31 a SGB II verhaltenssteuernd wirken und
nachdrücklich eigene Anstrengungen der Leistungsberechtigten einfordern.
In der Praxis stellen die §§ 31 f. SGB II sowohl die Mitarbeiter/innen der Jobcenter als
auch die Leistungsberechtigten vor Herausforderungen. Für Leistungsberechtigte sind
beispielsweise die Rechtsfolgen auf wiederholte Pflichtverletzungen nicht ohne Weiteres
abzusehen, weil die Höhe der Leistungsabsenkung vom Zeitpunkt der wiederholten
Pflichtverletzung, vom Zugang des vorherigen Sanktionsbescheides und von der
„richtigen“ Rechtsfolgenbelehrung abhängig ist. Kompliziert aufgebaute Tatbestände und
umfangreiche, zu beachtende Rechtsprechung machen die Entscheidungen zu §§ 31 ff.
SGB II fehleranfällig und bedingen ein hohes Widerspruchs- und Prozessrisiko.
Aufwendig umzusetzende Rechtsfolgen verursachen erhöhten Verwaltungsaufwand.
Der Deutsche Verein hat sich seit 2003 in verschiedenen Diskussionsbeiträgen und
Stellungnahmen mit den Sanktionsregelungen im SGB II befasst2
und anerkannt, dass
eine leistungsrechtliche Reaktion eröffnet sein muss, wenn Leistungsberechtigte ihren
Pflichten nicht nachkommen. Der Deutsche Verein weist jedoch darauf hin, dass die in
§§ 31 ff. SGB II geregelten Leistungskürzungen innerhalb eines existenzsichernden
Leistungssystems stattfinden und insoweit eine entsprechend verantwortungsbewusste
Handhabung der leistungsrechtlichen Reaktionen notwendig ist.
Da Sanktionen ihre Legitimation allein im Kontext von Fördern und Fordern finden und
innerhalb eines existenzsichernden Leistungssystems wirken, diskutiert der Deutsche
Verein Sanktionen im Folgenden in diesen Zusammenhängen. Besonders berücksichtigt
werden die Auswirkungen von Sanktionen auf Jugendliche im Rechtskreis SGB II und die
Notwendigkeiten und Chancen einer verstärkten Individualisierung des
Eingliederungsprozesses. Die Empfehlungen widmen sich im ersten Teil materiell-
2
Zuletzt in: Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins zur Anhörung im Ausschuss
Arbeit und Soziales am 6. Juni 2011, BT-Drucks. 17/5174 und 17/3207. Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 4 von 17
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rechtlichen Fragen und unterbreiten Lösungsvorschläge für aufgezeigte Defizite. Der
zweite Teil widmet sich der Verwaltungspraxis.
Teil I: Fördern und Fordern – materiell-rechtliche Fragen
In der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten, §§ 15, 31 Abs. 1 Nr. 1
SGB II
Der Deutsche Verein sieht den Bedarf einer gesetzlichen Konkretisierung in §
15 SGB II, um die zwingende Leistungsabsenkung auf Pflichtverletzungen
nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II stärker zu legitimieren und um verhältnismäßige
Rechtsfolgen zu gewährleisten: Nur für die Eingliederung individuell
geeignete Leistungen sollten mit den Leistungsberechtigten vereinbart
werden.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden in der Eingliederungsvereinbarung die für die
Eingliederung jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person erforderlichen
Leistungen vereinbart. Festgelegt wird, welche Leistungen die Träger zur Eingliederung
der Leistungsberechtigten erbringen und welche konkreten Bemühungen die
Leistungsberechtigten zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit zu unternehmen haben.
Wird eine in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Pflicht ohne wichtigen Grund
verletzt, folgt darauf gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 31a Abs. 1 SGB II eine
Leistungsabsenkung. Um sicherzustellen, dass die zwingende Leistungsabsenkung als
Rechtsfolge auf eine Pflichtverletzung gemäß § 31 Abs. 1 SGB II im Einzelfall
verhältnismäßig ist, sollte bereits bei den gemäß § 15 SGB Abs. 1 Nr. 2 SGB II zu
unternehmenden Bemühungen der Leistungsberechtigten angesetzt werden.
In der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Pflichten müssen individuell erfüllbar sein,
die Stärken und Schwächen der Leistungsberechtigten berücksichtigen und der
Erwerbsintegration dienen. Passgenau zugeschnittene Eingliederungsleistungen sind
erfüllbar und legitimieren eine zwingende leistungsrechtliche Reaktion bei
Pflichtverletzungen. Dazu ist es erforderlich, dass nur Pflichten vereinbart werden, dieDeutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 5 von 17
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jeweils individuell förderlich und verhältnismäßig sind und auf Überwindung der
Hilfebedürftigkeit gerichtet sind.
In § 15 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB II ist jedoch lediglich normiert, dass die
Eingliederungsvereinbarung die zur Erwerbseingliederung erforderlichen eigenen
Bemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten enthalten soll. Um zu
gewährleisten, dass sanktionsbewehrte Pflichten die o.g. Anforderungen erfüllen, sollte
gesetzlich geregelt werden, dass die von den Leistungsberechtigten zu erbringenden
Eigenbemühungen nach § 15 SGB II nicht nur erforderlich, sondern auch geeignet sind,
zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit beizutragen. Denn zur Überwindung der
Hilfebedürftigkeit geeignete Bemühungen der Leistungsberechtigten berücksichtigen
konkret die Umstände des Einzelfalles, sind rechtlich zulässig, förderlich und
verhältnismäßig. Überdies sollte bei der Vereinbarung von Bemühungen der
Leistungsberechtigten deren objektive Einsichtsfähigkeit berücksichtigt werden.
Der Deutsche Verein regt an, § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II dahingehend abzuändern, dass
mit jeder erwerbsfähigen Person die für ihre Eingliederung erforderlichen und gemäß § 3
Abs. 1 SGB II geeigneten Leistungen vereinbart werden sollen.
Sanktionsbewehrte Arbeitsgelegenheiten und Maßnahmen, § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
Der Deutsche Verein erachtet es als notwendig, den Katalog der
sanktionsbewehrten Pflichtverletzungen aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
einzuschränken, um die Eingliederungsvereinbarung als maßgebliches
Instrument des SGB II für die Verwirklichung einer passgenauen,
individuellen Eingliederungsstrategie kenntlich zu machen.
Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II verletzen Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein
nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren
Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern.
Mit der Instrumentenreform 2012 wurde die Arbeitsgelegenheit aus § 16d SGB II in ihrer
Funktion als Eingliederungsmaßnahme gestärkt. Sie dient seither nicht mehr zur Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 6 von 17
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Überprüfung der Bereitschaft der Leistungsberechtigten, einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen.3 Die Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten sollte daher ausschließlich als
eine im Einzelfall individuell förderliche Eingliederungsmaßnahme in der
Eingliederungsvereinbarung vereinbart werden.
Um den Charakter der Arbeitsgelegenheit als Eingliederungsmaßnahme zu
unterstreichen und die Eingliederungsvereinbarung als Instrument einer individuell
förderlichen und passgenauen Eingliederungsstrategie zu stärken, wird angeregt, § 16d
SGB II aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zu streichen. Die Streichung der Arbeitsgelegenheit
aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II hätte nicht zur Folge, dass Pflichtverletzungen in
Zusammenhang mit Arbeitsgelegenheiten nicht mehr sanktionsbewehrt wären – solche
Pflichtverletzungen wären von § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erfasst.
Altersabhängige Ungleichbehandlung, § 31a Abs. 2 SGB II
Der Deutsche Verein hält eine Abkehr von der altersabhängigen
Ungleichbehandlung bei der Reaktion auf Pflichtverletzungen für notwendig,
um junge erwerbsfähige Leistungsberechtigte effektiv zu unterstützen.
Bei der Personengruppe der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II bei der ersten
Pflichtverletzung gemäß § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II auf die Bedarfe für Unterkunft und
Heizung beschränkt. Bei einer wiederholten Pflichtverletzung entfällt gemäß § 31a Abs. 2
Satz 2 SGB II der gesamte Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Weniger schwer wiegen die
Rechtsfolgen für die erste und die erste wiederholte Pflichtverletzung von erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben: Nach einer
Absenkung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 30 % des jeweils maßgebenden
Regelbedarfs folgt im Wiederholungsfall eine Absenkung in Höhe von 60 %, bei jeder
weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig, § 31a
Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB II.
3
Laut der Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt
(BT-Drucks. 17/6277 S. 115) wird die Arbeitsgelegenheit durch die Neuregelung konsequent
integrationsorientiert ausgestaltet. Sie diene nunmehr ausschließlich der Wiedererlangung der
Beschäftigungsfähigkeit und dem Abbau von Vermittlungshemmnissen. Fehlanreize zum Eintritt in
die Arbeitsgelegenheit würden durch die Neuregelung vermieden werden. Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 7 von 17
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Die Ungleichbehandlung beider Altersgruppen stößt auf verfassungsrechtliche
Bedenken; fraglich ist eine Vereinbarkeit der Ungleichbehandlung mit Art. 3 Abs. 1 GG.
Gewichtige Unterschiede zwischen den Normenadressaten, welche die verschieden
schweren Eingriffe in das verfassungsrechtlich verbürgte Existenzminimum rechtfertigen
könnten, sind nicht ersichtlich. Beide Gruppen unterscheiden sich allein nach dem
Lebensalter, sind überdies jedoch hinsichtlich sozialer und persönlicher Merkmale (wie
Familienstand, Bildungsniveau, Befähigungen) heterogen. In keinem anderen
Sozialgesetzbuch ist die Gruppe der unter 25-Jährigen mit Sonderrechten oder
Sonderpflichten ausgestattet.
Bedenken gegen die Ungleichbehandlung ergeben sich zudem im Hinblick auf das Ziel
der Differenzierung. Junge Erwerbslose, die am Beginn ihres Berufslebens stehen, sollen
verstärkt aktiviert werden, um einer Verfestigung des Leistungsbezuges
entgegenzuwirken (vgl. § 3 Abs. 2 SGB II).
4 Dass die normierten Rechtsfolgen für
wiederholte Pflichtverletzungen von jungen Leistungsberechtigten zur besonderen
Förderung und Aktivierung erforderlich sind, ist nicht durch belastbare empirische Daten
nachgewiesen.
Bei jugendlichen Leistungsempfängern können die schwerwiegenderen Rechtsfolgen ein
„Entgleiten“ begünstigen. So können der Wegfall des Arbeitslosengeldes II bei der ersten
wiederholten Pflichtverletzung prekäre Wohnsituationen und/oder den Kontaktabbruch
zum Jobcenter bedingen. Derartige Folgen konterkarieren die im SGB II angestrebte
besondere Förderung junger Erwachsener. Außerdem können Aufgabe und Ziel der
Grundsicherung für Arbeitsuchende – die Überwindung der Hilfebedürftigkeit – nicht
erreicht werden, wenn der Kontakt zum Jobcenter abbricht.
Insbesondere für jugendliche Leistungsempfänger sollte eine umfängliche und
kontinuierliche Unterstützung durch die Leistungsträger und durch Netzwerke der
Jugendhilfe sichergestellt werden, um einer etwaigen sozialen Destabilisierung der
jungen Erwerbslosen vorzubeugen. Außerdem sollten gleiche Sachverhalte auch im SGB
II gleich behandelt werden. Die besondere Förderung junger Erwachsener im SGB II zur
4
BT-Drucks. 15/1516, S. 61.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 8 von 17
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Ermöglichung einer nachhaltigen Integration in Ausbildung und in das Erwerbsleben wird
vom Deutschen Verein befürwortet. Eine besondere Förderung bedarf jedoch keiner
besonders schwerwiegenden Sanktionen.
Der Deutsche Verein spricht sich daher für eine altersunabhängige Geltung des § 31a
Abs. 1 und Abs. 3 SGB II und für eine Abschaffung des § 31a Abs. 2 SGB II aus.
Wiederholte Pflichtverletzungen, §§ 31a Abs. 1 Sätze 2–3, 31a Abs. 2 Satz 2 SGB II
Der Deutsche Verein sieht in der Regelung von schwerwiegenderen
Rechtsfolgen für wiederholte Pflichtverletzungen eine vermeidbare Ursache
von erhöhtem Verwaltungsaufwand, Widerspruchs- und Prozessrisiko. Mit
Blick auf den Grundsatz des Forderns ist auch zu berücksichtigen, dass die
leistungsberechtigte Person ihre Pflichten wiederholt verletzt hat und ohne
aktive Mitwirkung keine Integration in den Arbeitsmarkt erfolgen kann. Der
gesetzlich geregelte Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei
wiederholter Pflichtverletzung ist darüber hinaus vor dem Hintergrund der
existenzsichernden Funktion des SGB II und der Folgekosten einer möglichen
Wohnungslosigkeit zu betrachten.
Gemäß §§ 31a Abs. 1 Sätze 2–3, 31a Abs. 2 Satz 2 SGB II haben wiederholte
Pflichtverletzungen eine stufenweise Erhöhung des Absenkungsbetrages zur Folge, die
bis zum vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II führt (s.o.).
Der Wiederholungstatbestand verursacht vielfältige rechtliche und administrative
Probleme. Für Leistungsberechtigte sind die Rechtsfolgen wiederholter
Pflichtverletzungen nicht ohne Weiteres absehbar und nachvollziehbar. Die
Mitarbeiter/innen in den Jobcentern sind mit einem schwer handhabbaren Tatbestand
konfrontiert. Die Prüfung des Wiederholungstatbestands ist verwaltungsaufwendig, da
sich der Absenkungsbetrag in Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung und zum
Zugang eines vorherigen Sanktionsbescheides erhöht. Entscheidungen zu wiederholten
Pflichtverletzungen sind, wegen des komplizierten Tatbestands und den hohen
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung, mit einem hohen
Widerspruchs- und Prozessrisiko behaftet. Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 9 von 17
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Problematisch ist zudem der gesetzlich normierte Wegfall des Arbeitslosengeldes II:
Bedarfe der Unterkunft und Heizung
Der Wegfall des Arbeitslosengeldes II erfasst auch die Leistungen für Unterkunft und
Heizung. Führt der Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung zur
Wohnungslosigkeit, sind verfassungsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, da nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das menschenwürdige
Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch das Wohnen
umfasst.
5 Durch die Nichterbringung der Leistungen für die Unterkunft droht eine
Kündigung des Vermieters.
Der Vermieter kann fristlos kündigen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB), soweit der Mieter in zwei
aufeinanderfolgenden Monaten mit der Entrichtung der Miete oder einem nicht
unerheblichen Teil davon in Verzug ist. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs
wird unwirksam, wenn der Rückstand bis zu einem Zeitraum von zwei Monaten nach
Zustellung einer Räumungsklage ausgeglichen wird. Dies hat eine
verwaltungsaufwendige Prüfung des Leistungsträgers zur Folge, ob nach § 22 Abs. 8
SGB II eine (darlehensweise) Schuldenübernahme in Betracht kommt, um eine
Wohnungslosigkeit zu verhindern.
Der Vermieter kann auch ordentlich gemäß § 537 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen. Eine
ordentliche Kündigung ist nicht an hohe Zahlungsrückstände wie § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB
geknüpft. Ein Zahlungsrückstand von mehr als einer Monatsmiete verbunden mit einer
Verzugsdauer von mindestens einem Monat genügt für eine ordentliche Kündigung.
6 Bei
einer ordentlichen Kündigung kann eine Tilgung der Schulden durch das Jobcenter den
Verlust der bisherigen Wohnung nicht zwingend abwenden.
7 Daher können dem
Leistungsträger zusätzliche Kosten für den Umzug in eine neue Wohnung und ggf. für
die Unterstützung bei der Wohnungssuche auch dann entstehen, wenn die Schulden
durch das Jobcenter im Nachhinein übernommen werden.
5
BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09.
6
Vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012, VIII ZR 107/12.
7
Vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2005, VIII ZR 6/04.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 10 von 17
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Wohnungslosigkeit ist das größte Hemmnis der Erwerbsintegration und ist zu vermeiden.
Der Deutsche Verein lehnt aufgrund der möglichen, schwerwiegenden Konsequenzen für
die Leistungsberechtigten sowie aufgrund des Verwaltungsaufwands und der
Folgekosten, die den Leistungsträgern bei Verlust der Wohnung entstehen, eine
Absenkung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die zu einer Kündigung des
Mietvertrages durch den Vermieter führen kann, als leistungsrechtliche Reaktion auf
Pflichtverletzungen ab.
Krankenversicherung
Der Wegfall des Arbeitslosengeldes II kann sich nachteilig auf die Krankenversicherung
der Leistungsberechtigten nach Beendigung ihrer Hilfebedürftigkeit auswirken. Werden
keine ergänzenden Sachleistungen beim Wegfall des Arbeitslosengeldes II in Anspruch
genommen, sind Leistungsberechtigte nicht mehr nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V
krankenversichert, da die Pflichtversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V voraussetzt,
dass Arbeitslosengeld II tatsächlich bezogen wird. Es greift in diesen Fällen die
Nachrangversicherung aus § 5 Nr. 13a SGB V, die Beitragsschulden verursachen kann.
8
Sind Beitragsschulden entstanden9
, sind diese nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit an
die Krankenkasse zurückzuzahlen. Ist der nicht mehr hilfebedürftige Versicherte mit
einem Beitrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate in Rückstand, ruht der
Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung für den nicht mehr hilfebedürftigen
Versicherten gem. § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V.
Nachteilige Folgen auf die Krankenversicherung der Leistungsberechtigten nach
Beendigung des Leistungsbezuges könnten ausgeschlossen werden, indem Leistungen
nicht in voller Höhe gemindert werden. Leistungsberechtigte blieben im Leistungsbezug
und damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert.
8
Vgl. Geiger, in: info also 4/2008, S. 147 ff.
9
Beitragsschulden werden nur dann nicht verursacht, wenn Leistungsberechtigte während der
Leistungsabsenkung eine Ratenzahlung mit der Krankenkasse vereinbaren oder Beiträge analog §
26 SGB II vom Leistungsträger erbracht werden.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 11 von 17
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Konsequenzen für den Wiederholungstatbestand
Eine leistungsrechtliche Reaktion auf Pflichtverletzungen im Kontext von Fördern und
Fordern ist vor dem Hintergrund des Existenzminimums zu betrachten. Mietschulden, die
zum Verlust der Wohnung führen und anlaufende Beitragsschulden in der
Krankenversicherung dürfen Sanktionen nicht flankieren. Insbesondere dürfen derartig
schwerwiegende Konsequenzen nicht als zwingende Rechtsfolge, ohne
Berücksichtigung des Gewichts der jeweiligen Pflichtverletzung und den weiteren
Umständen des Einzelfalles, ausgestaltet sein.
Der Deutsche Verein regt an, die Sanktionierung wiederholter Pflichtverletzungen auf
den Regelbedarf zu beschränken und eine Absenkung des Regelbedarfs in Höhe von
mehr als 30 % an eine Einzelfallprüfung zu knüpfen.
Ergänzende Sachleistungen als Ermessensleistung, § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II
Wird am Wegfall des Arbeitslosengeldes II bei wiederholten
Pflichtverletzungen festgehalten, sollte der Krankenversicherungsschutz in
keinem Fall durch Sanktionen berührt werden.
Wird das Arbeitslosengeld II um mehr als 30 % abgesenkt, können gemäß § 31a Abs. 3
Satz 1 SGB II ergänzende Sachleistungen erbracht werden. In der Praxis wird das
Ermessen regelhaft dahingehend ausgeübt, dass ergänzende Sachleistungen bewilligt
werden, soweit diese beantragt werden. Ergänzende Sachleistungen sind zu erbringen,
wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben, § 31a Abs. 3 Satz 2 SGB II. Werden beim
Wegfall des Arbeitslosengeldes II keine ergänzenden Sachleistungen beantragt, können
Beitragsschulden bei der gesetzlichen Krankenversicherung entstehen, s.o.
Der Deutsche Verein schlägt vor, § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II dahingehend abzuändern,
dass ergänzende Sachleistungen bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um
mehr als 30 % des maßgebenden Regelbedarfs ohne Antrag anzubieten sind. Damit
entfällt die Prüfung, ob bei einer entsprechenden Kürzung des maßgeblichen
Regelbedarfs etwaige Sachleistungen zu gewähren sind oder nicht.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 12 von 17
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Dauer der Minderung bei über 25-jährigen Leistungsberechtigten, § 31b Abs. 1 Satz
3 SGB II
Die Regelung eines zwingenden dreimonatigen Minderungszeitraumes ist
nach Auffassung des Deutschen Vereins nicht mit dem Zweck von
Sanktionen vereinbar.
Gemäß § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II beträgt der Minderungszeitraum drei Monate. Allein
bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der
Minderungszeitraum unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs
Wochen verkürzt werden, § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II. Jene von Amts wegen zu
klärenden Umstände des Einzelfalles sind u.a. die Art des Pflichtverstoßes, der Grad des
Verschuldens, das Verhalten nach dem Pflichtverstoß und die Frage, ob es sich um
einen wiederholten Pflichtverstoß handelt.10 Die Regelung hat sich in der Praxis bewährt.
Leerformelhafte Bekundungen, dass Pflichten nunmehr erfüllt werden, mit der Folge
erneuter Pflichtverletzungen nach Aufhebung der Sanktion, werden nach den
Erfahrungen der Praxis durch die Andauer der Sanktion für einen Zeitraum von sechs
Wochen weitestgehend ausgeschlossen.
Die normierte zwingende dreimonatige Dauer der Leistungsabsenkung für die
Personengruppe der über 25-jährigen Leistungsberechtigten lässt keine
Berücksichtigung von Verhaltensänderungen zu. Wirken Leistungsberechtige nach einer
Pflichtverletzung wieder an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit mit, verleiht ein
Festhalten an der Leistungsabsenkung der Sanktion einen systemwidrigen
Strafcharakter.
Wird das sanktionsbewehrte Verhalten aufgegeben, sollte in jedem Fall und
altersunabhängig die Möglichkeit bestehen, die Sanktion mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben. Der Deutsche Verein spricht sich daher für ein altersunabhängiges
Ermessen zur Begrenzung der Minderungszeit auf einen Zeitraum von sechs Wochen
aus, um eine im Sinne des SGB II zielgerichtete Wirkung von Sanktionen sicherzustellen.
10 LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2008, L 25 B 1835/08.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 13 von 17
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Kenntnis der Rechtsfolgen, § 31 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 SGB II
Der Deutsche Verein hält eine Korrektur der Regelung aus § 31 Abs. 1 Satz 1
SGB II im Sinne einer rechtssicheren Verwaltungspraxis für geboten.
Gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 SGB II bedarf es zur Absenkung der Leistungen
nicht zwingend einer schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen von
Pflichtverletzungen, es genügt auch die Kenntnis der Rechtsfolgen.
Für den Nachweis der Kenntnis der Rechtsfolgen trifft den Leistungsträger die
Beweislast. An eine ordnungsgemäße schriftliche Rechtsfolgenbelehrung werden hohe
Anforderungen gestellt, denn die Rechtsfolgenbelehrung muss im Hinblick auf drohende
Eingriffe in die existenzsichernden Leistungen eine besondere Warnfunktion erfüllen. Soll
die Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung auch ohne Schriftform gewahrt sein,
müsste die Kenntnis der Rechtsfolgen entsprechend konkret, richtig und vollständig sein.
Letztlich wird der Beweis nur zu führen sein, wenn ein ausführlicher Vermerk über eine
umfassende Belehrung aktenkundig ist.
Eine ordnungsgemäße, rechtssichere und verwaltungspraktikable
Rechtsfolgenbelehrung sollte in jedem Einzelfall gewährleistet sein. Der Deutsche Verein
regt daher an, die Alternative zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung aus § 31 Abs. 1
Satz 1 SGB II zu streichen.
Meldeversäumnisse, § 32 SGB II
Auch die Sanktion von Meldeversäumnissen sollte ihre Legitimation nach
Auffassung des Deutschen Vereins allein im Kontext von Fördern und
Fordern finden.
Meldeversäumnisse nach § 32 SGB II sind alljährlich wiederkehrend die am häufigsten
angewandte Rechtsgrundlage für eine Leistungsabsenkung. Kommen
Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren
Kenntnis einer Aufforderung des Trägers, sich zu melden oder bei einem ärztlichen oder
psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, ohne wichtigen Grund nicht nach, Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 14 von 17
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wird das Arbeitslosengeld II gemäß § 32 SGB II in Höhe von 10 % des jeweils
maßgebenden Regelbedarfs gemindert.
Um eine Verknüpfung der Leistungsabsenkung aus § 32 SGB II zum Grundsatz von
Fördern und Fordern herzustellen, sollten Meldeversäumnisse nur sanktionsbewehrt
sein, soweit ein der Erwerbsintegration förderlicher Meldegrund besteht bzw. wenn
leistungsrechtliche Angelegenheiten betroffen sind. Um dies sicherzustellen, erscheint es
sachgerecht, in § 32 SGB II einen Verweis auf die Meldezwecke aus § 309 Abs. 2 SGB
III11 aufzunehmen.
Zusammentreffen von Aufrechnung und Sanktion
Der Deutsche Verein sieht Regelungsdefizite bei der Kumulation
verschiedener Leistungsabsenkungen.
Gemäß § 42a Abs. 2 SGB II werden Darlehen monatlich in Höhe von 10 % des
jeweiligen Regelbedarfs aufgerechnet. Erstattungsforderungen werden gemäß § 43 Abs.
2 SGB II – je nach Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs – in Höhe von 10 % bis
30 % des maßgeblichen Regelbedarfs aufgerechnet. Wird während einer Aufrechnung
nach §§ 42a, 43 SGB II gleichzeitig das Arbeitslosengeld II infolge einer Pflichtverletzung
abgesenkt, kann dies zu einer Minderung des Regelbedarfs um mehr als 30 % führen.
Wird in diesen Fällen die Aufrechnung nicht ausgesetzt, kann die Kumulation von
Aufrechnung und Sanktion zu einer Unterschreitung des physischen Existenzminimums
führen.
Die Praxis reagiert in diesen Fällen unterschiedlich: Teilweise wird die Aufrechnung
ausgesetzt, teilweise werden ergänzende Sachleistungen bewilligt, teilweise bleibt die
Problematik unerkannt. Das Gesetz verhält sich zu diesem Sachverhalt nicht.
11 § 309 Abs. 2 SGB III: Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der Berufsberatung,
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und Prüfung des Vorliegens der
Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgen.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 15 von 17
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Rechtsunsicherheiten und regionale Ungleichbehandlungen, die durch das Fehlen einer
Regelung beim Aufeinandertreffen von Aufrechnung und Sanktion entstehen, sollten
beseitigt werden. Der Deutsche Verein plädiert für die Einführung einer Regelung, die
eine Aussetzung von Aufrechnungen nach §§ 42a, 43 SGB II für den
Minderungszeitraum normiert.
Teil II: Die Praxis der Sanktionen – Anforderungen an die Verwaltungsorganisation
Im Folgenden äußert sich der Deutsche Verein zu administrativen Bedingungen, die
erfüllt sein sollten, um eine effektive Umsetzung der o.g. Anregungen zu ermöglichen.
Administrative Abläufe sind relevant, um die Vereinbarung geeigneter Pflichten zu
ermöglichen, Ursachen von Pflichtverletzungen zu erkennen, Pflichtverletzungen
vorzubeugen und Leistungsberechtigte effektiv zu fördern.
Gewährleistung einer ganzheitlichen und individuellen Betreuung
Individuelles Fördern und Fordern und die Auseinandersetzung mit den
Ursachen von Pflichtverletzungen sind nur möglich, wenn eine ganzheitliche
Betreuung durch die Integrationsfachkräfte gewährleistet ist. Eine
ganzheitliche Betreuung erfordert eine entsprechend günstige
Betreuungsrelation.
Die Praxis zeigt, dass eine individuelle Betreuung bei einer zu hohen Fallbelastung kaum
möglich ist und andererseits eine qualitativ hochwertige, individuelle Betreuung der
Erwerbsintegration förderlich ist. Die nachteiligen Folgen eines ungünstigen
Betreuungsschlüssels werden durch umfangreiche Nebenaufgaben des Personals,
jenseits der eigentlichen Betreuungs- und Beratungstätigkeit, verstärkt. Eine günstige
Betreuungsrelation sollte in der Praxis sichergestellt werden. Sie ist insbesondere
notwendig, um eine passgenaue Eingliederungsstrategie zu entwickeln und geeignete
Pflichten festzulegen. Außerdem stellt eine umfassende Betreuung sicher, dass im
Einzelfall besondere Hilfebedarfe erkannt werden und entsprechend interveniert werden
kann. Zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Betreuung sollte zudem eine
entsprechend gute Qualifikation des Personals sichergestellt werden.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 16 von 17
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Unzureichende zeitliche und personelle Ressourcen – und zum Teil auch die
Notwendigkeit, formalisierte Verfahrensabläufe einzuhalten – können dazu führen, dass
das Erstgespräch keine ausreichende Grundlage für die Festlegung der individuell
zugeschnittenen Eingliederungsstrategie gibt. Es kann jedenfalls im Einzelfall angezeigt
sein, ein Zweit- oder Drittgespräch abzuwarten, bis Pflichten in der
Eingliederungsvereinbarung festgelegt werden.12 Eingliederungsprozess und
Eingliederungsvereinbarung sollten, wie in der Gesetzesbegründung angestrebt,
konsensorientiert und individuell gestaltet werden.13 Werden Leistungsberechtigte am
Integrationsprozess gleichrangig beteiligt, stärkt dies den Grundsatz der
Eigenverantwortung und trägt insbesondere dazu bei, dass vereinbarte Pflichten
verstanden und akzeptiert werden.
Im Sinne einer umfassenden Betreuung ist das obligatorische Angebot eines Termins zur
mündlichen Erörterung des Sachverhalts nach Pflichtverletzungen zweckmäßig. Die
Praxis zeigt, dass das persönliche Gespräch mit Leistungsberechtigten zur Klärung der
Sach- und Rechtslage besonders geeignet ist, verwaltungsaufwendigen
Widerspruchsverfahren vorzubeugen und das Prozessrisiko zu senken. Kosten für
Widerspruchs- und Klageverfahren können an dieser Stelle eingespart werden. Zudem
ermöglicht ein persönliches Gespräch, insbesondere bei Personen, die Probleme in der
schriftlichen Ausdrucksfähigkeit haben, eine bessere Sachverhaltsaufklärung. Auch
besteht die Möglichkeit, neuerlich Pflichten sowie deren Rechtsfolgen zu besprechen und
so ggf. weiteren Pflichtverletzungen vorzubeugen.
Ein Angebot zur Erörterung des Sachverhalts könnte zusätzlich zum schriftlichen
Anhörungsverfahren unterbreitet werden, wenn das Arbeitslosengeld II um mehr als 30
% des jeweils maßgeblichen Regelbedarfs abgesenkt wird. Die Wahrnehmung des
Gesprächstermins muss freiwillig sein. Es darf dazu also keine Meldeaufforderung
gemäß § 32 SGB II ergehen.
12 Zum Arbeitsbündnis zwischen Fallmanager und Leistungsberechtigten: Empfehlungen des
Deutschen Vereins zu Qualitätsstandards für das Fallmanagement, NDV 2004, 149 ff.
13 Nach der Gesetzesbegründung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
sollte die Eingliederungsvereinbarung in einem gemeinsamen Prozess zwischen persönlichem
Ansprechpartner und Leistungsberechtigtem erarbeitet werden.BT-Drucks. 15/1516, S. 46.Deutscher Verein  Michaelkirchstraße 17/18  D-10179 Berlin-Mitte Seite 17 von 17
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Unterstützung der Leistungsberechtigten bei Pflichtverletzungen
Individuelle Probleme (psychosoziale Probleme, Lebenskrisen, häusliche Gewalt,
Suchtproblematiken etc.) können Auslöser für sanktionsbewehrte Pflichtverletzungen
sein. Fehlt es an sozialer Stabilität, muss entsprechend unterstützend interveniert
werden. Sanktionen sind kein Mittel zur Verhaltenssteuerung, wenn die Ursachen von
Pflichtverletzungen in der psychischen oder sozialen Lebenslage zu verorten ist.
Es wird daher angeregt, die kommunalen Eingliederungsleistungen aus § 16a SGB II
stärker in den Fokus der Förderleistungen zu nehmen. Sofern die Eingliederung in den
Arbeitsmarkt nicht allein durch die von Leistungsberechtigten und Leistungsträgern
wechselseitig erbrachten Leistungen und Mitwirkungshandlungen erzielt werden kann,
weil zuvor eine soziale Stabilisierung erfolgen muss, ist ein komplexer
Unterstützungsprozess notwendig. In solchen Fällen kann neben der
Eingliederungsstrategie die Erarbeitung eines Hilfeplankonzepts erforderlich sein.14
Um Leistungsberechtigte auch in besonderen Lebenslagen umfassend unterstützen zu
können, ist die Einrichtung von Netzwerken notwendig. Die Kooperation mit
Fachdiensten und freien Trägern sowie die Koordination der Hilfeleistungen sind für die
soziale Stabilisierung der Leistungsberechtigten von zentraler Bedeutung. Dies erfordert
eine entsprechende strategische und organisatorische Ausrichtung der Jobcenter. Es
wird daher angeregt, in den Jobcentern für eine stärkere Vernetzung mit kommunalen
Trägern und Fachdiensten zu werben, um eine möglichst umfassende Unterstützung der
Leistungsberechtigten mit besonderen Hilfebedarfen zu ermöglichen.15
Integrationsfachkräfte sollten überdies (zeitlich und organisatorisch) in die Lage versetzt
werden, das soziale Dienstleistungsspektrum der Region im Hinblick auf die spezifischen
Bedarfslagen zu ermitteln und in die Entwicklung passgenauer Eingliederungsstrategien
einzubeziehen.
14 Siehe Deutscher Verein: Anforderungen an das Fallmanagement, 17. Juni 2009,
http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/sgb-ii/integration-in-denarbeitsmarkt/Anforderungen_an_das_Fallmanagement_im_SGB_II/, NDV 7/2009, S. 271 ff.
15 Erste Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Umsetzung der sozialen Leistungen nach § 16 Abs.
2 Satz 2 Nr. 1–4 SGB II, NDV 2007, 256 ff.
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Wer und was ist der "Deutsche Verein"?

Ziele und Aufgaben des Deutschen Vereins

Heute wird die soziale Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie von freien und öffentlichen Trägern geleistet. Öffentliche Träger sind Bund, Länder, Landschaftverbände, Landeswohlfahrtsverbände, Bezirksregierungen, Landkreise, Städte und Gemeinden. Die Kommunen haben sich im Deutschen Städtetag (DST), Deutschen Landkreistag (DLT) und im Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), die freien Träger in den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen: Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Caritasverband (DCV), Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband, Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Der Zusammenschluss der öffentlichen und freien Träger sozialer Arbeit ist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Berlin. Er ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, der nach seiner geltenden Satzung einen Mittelpunkt für alle Bestrebungen auf dem Gebiet der sozialen Arbeit, insbesondere der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe in der Bundesrepublik Deutschland bildet. Praktische Sozialarbeit ist nicht Aufgabe desVereins, sondern die seiner Mitglieder.

Die Hauptaufgaben des Deutschen Vereins sind:
Anregung und Beeinflussung der Sozialpolitik
Erarbeitung von Empfehlungen für die Praxis der öffentlichen und freien sozialen Arbeit
Gutachterliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Sozialrechts
Ständige Information der auf diesem Gebiet tätigen Personen und die Förderung des Erfahrungsaustausches
Fort- und Weiterbildung von Führungskräften und Mitarbeiter/innen des sozialen Bereiches
Förderung der für die soziale Arbeit bedeutsamen Wissenschaften
Beobachtung und Auswertung der Entwicklung der sozialen Arbeit in anderen Ländern
Förderung der internationalen Zusammenarbeit
Internationaler Sozialdienst
Herausgabe von Schriften und sonstigen Veröffentlichungen zu Fragen der sozialen Arbeit

Der Deutsche Verein ist eine Koordinationsstelle für alle Bestrebungen und Entwicklungen in den Bereichen Sozial-, Kinder-, Jugend- und Familienpolitik sowie der Sozial- und Jugendhilfe, Alten- und Gesundheitshilfe, Rehabilitation und Behindertenhilfe, Pflege, soziale Berufe sowie der internationalen sozialen Arbeit. Er dient einerseits als Plattform, auf der die Auseinandersetzungen um widerstreitende Ideen und Interessen ausgetragen werden, anderseits als Instrument, um diese Interessen zusammenzufassen und Entwicklungsschritte durchzusetzen. Sachverstand und soziale Verantwortung verbinden die auf unterschiedlichen weltanschaulichen, politischen und wirtschaftlichen Grundlagen stehenden Mitglieder. Auf der Bündelung der vielen im Sozialwesen wirkenden Kräfte sowie im Engagement und der Kompetenz der in seinen Fachgremien tätigen Mitglieder beruht die Bedeutung der Arbeitsergebnisse desDeutschen Vereins für die Legislative und Exekutive. Empfehlungen des Deutschen Vereins – z. B. zur Anwendung der Sozialgesetze – wirken sich auf das Handeln der jeweiligen Leistungserbringer, die praktische Sozialarbeit und damit unmittelbar im Alltag der Bürger aus.

Der Deutsche Verein wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundesländer. Neben diesen Zuwendungen setzen sich die Einnahmen in erster Linie aus Mitgliedsbeiträgen, aus Einkünften des Verlages und Veranstaltungsgebühren zusammen.

3 Kommentare:

  1. Hallo Burkhard,

    wie Du in Deinem Blogg mitteilst, warst Du von 2005-2011 bei der GfA/ ARGE / jobcenter Ludwigshafen beschäftigt. Möglicherweise warst Du ein- oder sogar mehrmalig zugegen, wenn "Lokale Zielvereinbarung" vorgestellt wurden.
    http://www.tombbloggt.blogspot.de/

    Die lokalen Zielvereinbarungen vom Jobcenter Wilhelmshaven erlangten traurige Berühmtheit, weil von dort eine Sanktionsquote bekannt wurde, die seitens der Bundesagentur und des Bundesministerium für Arbeit und Soziales stets der Wahrheit zuwider geleugnet wird.

    Dort heißt es auf Folie Nr. 12 (von 17) als Arbeitsziel:

    "Sanktionsquote:
    Das JC Friesland erhöht die Sanktionsquote spätestens ab Juni 2007 bis Oktober 2007 auf die Quote von 2,2% für alle erwerbslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftige (eHb) und 3,1% für arbeitslose eHb."
    http://www.beispielklagen.de/klage018.html#Sanktio...

    Während das Bundessozialgericht später ausdrücklich auf die Warnfunktion der Sanktionen verweist und die Vermeidung als Ziel abzielt, sah die Geschäftsführung des Jobcenter Wilhelmshaven offensichtlich eine Steigerung der Sanktionsquote als eine Erfolgsbestätigung.

    Kannst Du hierzu etwas bestätigen?

    (http://www.lokalkompass.de/iserlohn/leute/immer-mehr-ehemalige-jobcenter-mitarbeiter-packen-aus-d345782.html#comment1085227)

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  2. Guten Tag Ulrich,
    und willkommen hier im Blog!
    Auf die Frage hatte ich hier schon geantwortet:
    http://www.lokalkompass.de/iserlohn/leute/immer-mehr-ehemalige-jobcenter-mitarbeiter-packen-aus-d345782.html#comment1085227
    ... - ist aber zur Stunde wohl noch nicht freigeschaltet.
    Sollte das Morgen noch passieren, kopiere ich es auch hierhin.
    Wenn nicht, formuliere ich neu!
    MfG
    BTB

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  3. ... hm. Ist wohl leider tatsächlich (noch?) nicht der Fall.
    Ich kopiere wenigstens schon mal ein persönliches Erlebnis her:
    " ... Beispiel Sanktionen:
    Hierzu gäbe es natürlich vieles zu sagen. Auch in Hinsicht darauf, ob es (spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010, Randziffern 133, ff.) nicht als Verfassungswidrigkeit angesehen werden muß, wenn das Existenzminimum durch Sanktionen unterschritten wird.
    Ich möchte hier aber etwas simpleres, konkreteres anführen. Im Buch „Ein praxisorientierten Leitfaden zur Beratung im SGB II“ der BA, von 2007 heißt es noch sehr richtig auf Seite 221: „Erfolg bedeutet nicht den Eintritt möglichst vieler Sanktionen, sondern deren Vermeidung durch ein professionelles Profiling und gemeinsame Absprachen.“
    Und nun zitiere ich aus einem mir persönlich vorliegendem E-Mail, welches von einer mir bekannten zeitweise Stellvertretenden Abteilungsleiterin an das „liebe Team“ versandt wurde. Datum ist der 09. September 2011. (Buchstabengetreues Zitat.)
    „2) Es ist auffällig geworden, dass unsrer Abteilung wenige Sanktionen veranlasst und somit unsere Sanktionsquote stark abgesagt ist.“
    Der zweite „dicke“ Rechtschreibfehler hier ist derart massiv … zur Sicherheit: die Dame meint: „abgesackt“.
    Was mag als nächster Satz formuliert werden? Ein Lob? Wäre ja durchaus angebracht in Anbetracht der Maximen des Leitfadens …
    Doch nein. Es heißt statt dessen:
    „An dieser Stelle nochmals der Aufruf strikt zu sanktionieren. Es ist mir durchaus bewußt, dass es durch das neue Procedere Unsicherheiten gibt, aber wendet Euch bei Fragen …“
    Die Sanktionsquote. Die ist der Grund für den „Aufruf“. Hier stehen mehrere Dinge auf dem Kopf. Traurig. Wirklich. Ich mochte die mal.
    ..."
    MfG
    BTB

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